Geschichten vom Dorf

Revolution em Dörp!

Man schrieb das Jahr 1908. Zu der damaligen Zeit existierte in Kückhoven ein Brauereibetrieb. Der Inhaber dieses Betriebes hatte zwei Söhne, die beide von geistigen Getränken etwas verstanden und auch eine gewisse Fähigkeit darin besaßen, wie man eine ziemliche Portion Alkohol schnell und sicher mit dem menschlichen Organismus vereinigen konnte.

In diesem Betrieb wurde nun, nach eigenem Rezept, ein schweres dunkles Bier gebraut, das einen ziemlich hohen Gehalt an Hopfen und Malz hatte und in den damals elf bestehenden Wirtschaften des Dorfes zum Ausschank gelangte. Dieses einheimische Bier mundete der Kückhovener Männerwelt so vorzüglich, dass sie allabendlich, nach getaner Arbeit, in den einzelnen Wirtschaften saßen und, nach dem Vorbild ihrer Ahnen, die an den Ufern des Rheines auf ihrer Bärenhaut gesessen haben, immer noch eins tranken.

Die Folge davon war, andauerndes längeres Überschreiten der Polizeistunde und nächtliche Ruhestörung auf den Straßen. Der damalige biedere Dorfpolizist war, infolge seines Alters, der Sache nicht mehr gewachsen. Er wurde von einem Mann in den besten Jahren abgelöst. Der trat mit langem Säbel, Pickelhaube und preußischem Schnurbart in Erscheinung.

Dieser neue Polizeigewaltige hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mit dieser Unsitte im Dorf radikal aufzuräumen. Als Mittel dazu benutzte er einen dicken Bleistift und ein großes Notizbuch. Es gab Protokolle am laufenden Band.

Aber, wie es so ist im Leben, Druck erzeugt Gegendruck.

Eines Nachts hatten ein paar Ruhestörer dem “Protokollführer” ihre Schlagkraft derart drastisch vor Augen geführt, dass er am anderen Tag mit verbundenem Kopf und geschwollenen Lippen aus dem Fenster seiner Wohnung schaute.

Der damalige Pfarrer, der der Sache auf den Grund gekommen war, verurteilte auf der Kanzel mit strenger Miene das Verhalten seiner Pfarrkinder. Er bezeichnete es kurzerhand als heidnische Methoden und als eine Revolution.

Damit war das Stichwort gefallen: Revolution em Dörp!

Dem Hüter des Gesetzes war nun aber die Sache doch zu bunt geworden. Er forderte Gendamerieverstärkung aus der nahen Kreisstadt an. Diese erschien mit Revolver, Kürassierstiefeln und Sturmhelm auf den Plan und ordnete für das Dorf so eine Art Belagerungszustand an. Punkt 23 Uhr mussten sämtliche Wirtschaften des Dorfes geräumt sein.

Das war für die freiheitliebenden Kückhovener etwas Ungewöhnliches. Aus Protest dagegen stolzierten die reiferen Männer abends mit langen Pfeifen über die Straßen und bliesen, in herausfordernder Haltung gegenüber den Beamten, kräftige Rauchwolken in die Luft.

Die aktiven Rebellen aber handelten nach einem anderen strategischen Plan.

Als die Patrouille eines Abends am sogenannten Kleinend auftauchte, um das Dorf zu durchkämmen, peitschte auf einmal eine Gewehrsalve durch die Stille.

Da – was war das? – Das kann doch nur am Stülpend gewesen sein! – Da soll doch der Zacher dreinschlagen.

Und sofort setzte sich die Patrouille im Laufschritt in Marsch Richtung Stülpend.

Der Meldedienst bei den Aufständischen aber funktionierte tadellos. Sobald die Gesetzeshüter am Stülpend eingetroffen waren und hier alle Gassen, Gärten und Scheunen absuchten, knallte es auf einmal am Spitzberg: Paaf – Paaf – Paaf.

So ging es die halbe Nacht hindurch, bis die Rebellen , hinterhältig lächelnd, in ihre Strohsäcke gekrochen waren, um das Theater an den nächsten Abenden zu wiederholen.

Aber wie es immer ist im Leben, der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht, so war es auch hier.

Nach kurzer Zeit hatte man die Haupträdelsführer beim Schlafittchen. Damit klang der Aufstand allmählich ab und der friedliche Alltag konnte in Kückhoven wieder Einzug halten.

Diese Begebenheit ist bis heute im Dorf lebendig geblieben. An den Abenden zu hause und in den Gaststätten erzählen die alten Kückhovener der heranwachsenden Jugend, mit schelmischen Lächeln in den Augen, immer noch von der “Revolution em Dörp”.

 

“De Kückhover Neitsülle on ne janz Schuffka voll Pannas”

Ergötzliche Wette und was dabei herauskam – Schlachtfest bei Nießen

Am Montags-Unternehmer-Stamm-Skattisch bei Nießen am Stülpend kam es auf: “Ne janz neue Schuffka voll Pannas werd hie rennjefahre”, Trebels Chrees (was so viel wie Christian Trebels heißt), Skatspieler von Passion, oft laut, aber auch leise und Skatbruder Jupp Pisters, waren die zentralen “Pannas Figuren”. Beide im Skatclub “Neitsülle” (was soviel wie Nachteulen heißt) kam es unversehens zu einer Wette. Trebels zu Pisters: “Wenn du ne Schuffka voll Pannas hier herennfährs, gehört Dech die nagelneu Schuffka.” Schelm Pisters schloss die Wette ab. Das war schließlich auch die Wette mit “met dä wisse Panas”. Binnen 12 Stunden samt Trichinenschau wurde das Wunderwerk vollbracht. Und “dä wisse Pannas woar net belleg” ,wußte Schlösser Matthias zu berichten. Am nächsten Skatabend wartete man der Dinge, die da kommen sollten.

Punkt 20.00 Uhr öffnete sich Nießens Lokaltür. “De Schuffka voll Pannas” stand samt Pisters Jupp im Rahmen und “Neitsüll” Trebels legte die Skatkarten zur Seite, um das Pannasschlachtfest zu eröffnen. Rund 60 Liter Pannas in einer Schubkarre, das hat es bisher nur in Kückhoven gegeben. “Da ist nur soviel Mehl drin, als zur Bindung nötig”, so Pisters. Er verstand offensichtlich auch viel vom appetittlichen Servieren. Die nagelneue Schubkarre war mit Silberpapier ausgeschlagen.

Mehrere Pfund Schweinemett, zu Fußbällen mittlerer Größe geformt, obenauf mehrere Pfund in Silberpapier verpacktes Schwarzbrot, frischgeschälte Zwiebeln und das unvermeidliche “Gemös” (sprich Petersilie) ließ die vielen Feinschmecker mit den Zungen schnalzen.

Der Rest war nur noch Formsache. Auf zwei Millimeter dicken Schwarzbrotscheiben fünf Zentimeter dick Pannas. Ganz Hungrige legten samt Zwiebel noch fünf Zentimeter Mett obendrauf. Man hätte die Maulsperre kriegen können.

Es sei noch vermerkt, dass vom Chronisten einen Tag später mitgeteilt wurde: “Die hant de Pannas ratzekaal weggefreeten.”

Manche Spätheimkehrer machten dann auch am heimischen Herd ein Schmüschen. Sie hatten ein Schlachtpaket mit nach hause gebracht.

 

Die Notschlachtung

Bis 1970 gab es in Kückhoven noch keinen Kanal. Und so wurde das Regenwasser über die Straße zur Malter geleitet.

Es gab aber auch Abwässer die nicht so entsorgt werden konnten. So hatte man Gruben, die von Zeit zu Zeit ausgepumpt werden mussten.

Eine Gaststätte auf der Kirchstraße (jetzt Servatiusstr.) hatte eine andere Idee. Der Schaum, der nach einem gezapften Bier überlief wurde kurzerhand mit einem Eimer aufgefangen. Mit dem Landwirt Martin Dokter, direkter Nachbar, hatte man untereinander das Abkommen geschlossen, dass jeder volle Eimer bei dem Landwirt in den Schweinestall gestellt werden sollte. Dieser verteilte es auf die Tröge als Futter für die Schweine. Es ging eine lange Zeit gut, bis zu jenem Abend des Jahres 1968. Der Eimer war voll und ein Gast erklärte sich bereit diesen Eimer zum Schweinestall zu bringen. Da er nicht mehr ganz klar war, verstand er nicht, dass er den Eimer in den Stall stellen sollte und kurzerhand kippte er diesen in den nächst liegenden Trog, indem sich nur ein Schwein befand.

Am nächsten Morgen kam Landwirt Martin Dokter in den Stall, um nach seinen Tieren zu sehen. Aber was sah er da. Im Stall lag ein Schwein auf der Seite und zuckte. Er nahm an, dass Schwein sei krank und ließ den Ortsansässigen Metzger Josef Meurer rufen. Dieser kam sofort und begutachtete das Schwein. “Das Schwein muss notgeschlachtet werden”, so Josef Meurer. Es gab ein großes Schlachtfest mit Essen und Trinken, wie es Brauch war.

In den nächsten Tagen traf man sich dann in der Gaststätte auf der Kirchstraße zu einem Bier. Nachdem man einige getrunken hatte, wurde von der Notschlachtung berichtet. Nun stellte sich heraus, wie es wirklich war. Von dem vielen Bier war das Schwein nur betrunken gewesen und hätte gar nicht Notgeschlachtet werden müssen.